Buyer Persona Konzept oder: Das Ende gestaltloser Zielgruppen

Christian
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Egal ob bei einer Unternehmensgründung, einer Produkteinführung oder Entwicklung einer Marketingkampagne - immer wieder setzen wir uns im Geschäftsleben mit einer Frage auseinander: wen wollen wir mit unserem Produkt oder unserer Dienstleistung erreichen? Naja, hoffentlich tun wir das. Wenn nicht, dann wird es dringend Zeit hiermit anzufangen.

Jedem Marketingleiter und -mitarbeiter ist dies natürlich absolut geläufig und Zielgruppenanalysen gehören zum Handwerkszeug, um zu wissen, für wen das eigene Produkt relevant ist. Aber geht man damit wirklich weit genug? Reicht es, aus einer Unmenge von Möglichkeiten (fiktive) Gruppen abzuleiten, um diese zielgerichtet ansprechen zu können? Nein, unserer Meinung nach ist dies nur ein guter Anfang und es wird Zeit mehr Individualität ins Spiel zu bringen und unseren Wunschkunden den Morphsuit vom Kopf zu ziehen. Geben wir unseren Wunschkunden also ein Gesicht, eine Persönlichkeit und eine Geschichte und agieren wir so, wie wir es am liebsten haben: von Mensch zu Mensch!

Abgrenzung Zielgruppe vs. Buyer Persona Konzept?

Was genau heißt aber nun unseren Wunschkunden “ein Gesicht geben” und was ist der Unterschied zur klassischen Zielgruppe? Schauen wir uns dazu die beiden Begriffe einmal näher an.

Wie ist eine Zielgruppe definiert:

Eine der vielen Definitionen des Begriffs Zielgruppe besagt, dass es sich hierbei um “die Gesamtheit aller effektiven oder potenziellen Personen, die mit einer bestimmten Marketingaktivität angesprochen werden sollen” handelt (danke an das Gabler Wirtschaftslexikon).

Um herauszufinden, welches die “relevante Gesamtheit” für einen selbst ist, werden verschiedene Aspekte betrachtet, um den Gesamtmarkt zu segmentieren. So werden wir nach Merkmalen der Soziodemografie, Psychografie, Mediennutzung, Handlungen et cetera. durchleuchtet und zu kleineren Gruppen zusammengefasst. Nun fühlen wir uns doch schon vollkommen wertgeschätzt, wenn wir wissen, dass wir noch immer Teil einer grauen Masse sind, oder?

Was macht das Buyer Persona Konzept aus:

Kritische Stimmen werden nun sagen “diese Daten braucht man doch auch” - was ja auch stimmt -, aber Buyer Persona gehen weiter. Beim Buyer Persona Konzept geht es wie gesagt darum, dem Wunschkunden ein Gesicht zu geben. Selbstverständlich handelt es sich auch hierbei um eine (zumindest in Teilen) fiktive Person, doch diese Person repräsentiert einen typischen Kunden Ihres Unternehmens.

So ist das Buyer Persona Konzept auch entstanden, als Alan Cooper 1983 eine Software entwickeln wollte, die auch von Nicht-Programmierern leicht verwendet werden konnte. Er entwickelte fiktive Charaktere, gab ihnen Namen und “unterhielt” sich mit Ihnen, bspw. beim Golfen, um die Bedürfnisse der zukünftigen Anwender besser zu verstehen. Nachdem er seine Methode 1998 in seinem Buch “The Inmates Are Running the Asylum” veröffentlichte, wurde diese auch durch das Marketing adaptiert und unter anderem das Buyer Persona Institute gegründet. Unter der Leitung von Adelle Revella wird das Thema Buyer Persona weiter vorangetrieben. Auch Tony Zambito liefert hierzu viele interessante Betrachtungen.

Das Buyer Persona Konzept verdeutlicht also, dass das Mitglied einer Zielgruppe nicht zwangsläufig ein potenzieller Kunde sein muss. Es fehlt bei einer Zielgruppenbetrachtung einfach an Granularität, wie das folgende Beispiel beweist:

Nehmen wir an, dass wir im Zuge unserer Marktsegmentierung zur Zielgruppenbeschreibung “männlich, verheiratet, Familienvater, erfolgreich, amerikanisch, Führungskraft” gekommen sind, um nur ein paar Merkmale aufzuführen. Sagt uns dies nun etwas über die Menschen dahinter aus? Nein! Denn unter dieser Beschreibung ließen sich nämlich auch zwei Menschen zusammenfassen, wie sie wahrscheinlich kaum gegensätzlicher sein bzw. wahrgenommen werden könnten: Barack Obama und Donald Trump. Es lohnt sich also ein genauerer Blick, wen man eigentlich erreichen möchte.

Warum erstellt man Buyer Persona?

Wenn wir also dieses Konzept anwenden, um unseren Wunschkunden zu identifizieren, stellt sich natürlich auch immer die Frage nach dem “Warum?”. Wenn wir uns das Beispiel von gerade ansehen, dann ist eine Antwort auf diese Frage sicher “um detailliertere Einblicke in unser Gegenüber zu erhalten und möglichst genau zu wissen, für wen unser Angebot von Interesse ist”.

Eine Buyer Persona ist, richtig erstellt, also eine weitreichende Betrachtung unseres Wunschkunden und berücksichtigt nicht nur Merkmale gleich welcher Art auch immer, sondern soll auch Einblicke in die Gedanken und Gefühle geben. Wir wollen uns in unserem Handeln also in das hineinversetzen, was unseren Wunschkunden umtreibt. Dieses Mehr an Wissen hilft uns, eine zielgerichtete Customer Journey zu erstellen und dem Kunden, im Rahmen des Inbound Marketings, zu jeder Zeit mit den Informationen und Hilfestellungen zur Seite zu stehen, wann und wo er sie nutzen möchte. So schaffen wir Vertrauen zu uns durch das offenbarte Kundenverständnis.

Aus Marketingsicht können wir so eine zugeschnittene Content Strategie erarbeiten und auf den Kanälen verbreiten, die für unseren Wunschkunden relevant sind. Wir können uns hineinversetzen, was genau bestimmte Handlungen, wie Kontaktaufnahmen, Anfragen etc. auslöst und unsere Marketingmaßnahmen darauf abstimmen. Das Marketing wird also ein Stück weit individueller und wir richten uns, unser Angebot und sonstige Services am Bedarf unseres Wunschkunden aus. Das schafft Sympathie.

Dies hat natürlich auch den positiven Nebeneffekt, dass eine individuelle Ansprache die Conversion Rates optimiert und Streuverluste geringer werden können. Schließlich wissen wir ja nun, wo die Samenkörner gesät werden, aus denen neue Geschäftsbeziehungen erblühen können und müssen unsere Marketingbudgets daher nicht mehr mit der großen Gießkanne überall verteilen, in der Hoffnung ein Samenkorn zu treffen.

Wie nutzt man das Buyer Persona Konzept?

Nun gut, wir wissen nun, was eine Buyer Persona ausmacht und warum wir sie erstellen sollten. Doch wie genau macht man dies eigentlich?

Man könnte nun glauben, dass man sich einfach überlegt, wie der Wunschkunde aussehen, handeln und fühlen soll und dies kurz und knapp formuliert festhält. Dies wäre aber eine rein interne Betrachtung, also quasi nur ein Buyer Persona Profil. Dieses Profil ist ein hervorragender Anfang, jedoch fehlt ihm noch ein wenig datengestützte Untermauerung, also ein paar Insights. Wieso? Damit wir Einblicke erhalten, was entlang der Customer Journey unserer jeweiligen Buyer Persona geschieht. Aber werfen wir auch hier nochmal einen genaueren Blick drauf.

Buyer Persona Profile

Zunächst benötigen wir also ein Profil für unsere Buyer Persona. Wie man genau ansetzt, um ein Profil zu erstellen, ist natürlich nicht festgelegt und sollte auch ein wenig variabel sein. Wir haben uns für folgende Punkte entschieden, die ein Buyer Persona Profil abbilden sollte:

Persönlichkeit

Wie heißt unsere Persona? Wie alt ist sie und wo wohnt sie? Hat sie Kinder? Was macht sie genau beruflich? Wie ist ihre persönliche Biografie? Welche Charaktereigenschaften hat sie? Wie sieht sie aus? Welche Interessen hat sie? Ist sie Mitglied in Vereinen und/oder Verbänden? Welches Zitat veranschaulicht ihre Einstellung am besten?

Ein Rückgriff auf die Sinus Mileus der klassischen Zielgruppenanalyse kann also bei der Persönlichkeitsbeschreibung durchaus eine Rolle spielen.

Ziele

Welche Problemstellung möchte unsere Persona lösen? Welche Vorteile erhofft sie sich durch unsere Lösung? Was motiviert sie? Welche Produkteigenschaften sind ihr am wichtigsten? Welche persönlichen und beruflichen Ziele hat sie?

Frustration

Was hält unsere Persona von unserer Lösung ab? Wem gegenüber muss sie sich eventuell verantworten? Gibt es Vorurteile gegenüber uns oder unseren Lösungen? Was sind eventuelle Barrieren?

Customer Journey

Wie sieht die Reise unserer Persona aus? Was passiert von der Informationssuche bis zum Abschluss? Wie vergleicht sie verschiedene Lösungen miteinander? Involviert sie andere Persona in die Entscheidungsfindung? Welche Kanäle und Medien nutzt sie?

Man sieht also, dass einem die guten alten W-Fragen auch hier wieder hilfreich zur Seite stehen.

All diese Punkte sollte man auch visualisieren, damit man quasi eine Art Steckbrief zur Buyer Persona erstellt, den man sich jederzeit vor Augen führen, oder wie in unserem Falle, gut sichtbar an die Wand hängen kann. Manchmal ist hierbei auch vom sogenannten Buyer Persona Mapping die Rede.

Buyer Persona Beispiel

Buyer Persona Insights

Das so erstellte Profil ist aber natürlich noch immer eine interne Betrachtung - auch wenn wir vielleicht Meinungen aus verschiedenen Abteilungen, wie Marketing, Vertrieb, Kundensupport o.ä. eingeholt und gebündelt haben. Was nun noch fehlt sind die Einblicke in unsere realen Kunden. Startups haben es an dieser Stelle natürlich etwas schwerer, als Unternehmen die bereits länger am Markt sind, aber im Zweifel kann man die erstellten Buyer Persona Profile auch nach und nach mit Daten unterfüttern.

Um die Einblicke in unseren Wunschkunden zu erhalten, fragen wir also einige unserer bestehenden Kunden und Nicht-Kunden.

Interviews

Wichtig ist es die Fragen, die wir uns zur Erstellung der Profile gestellt haben, von unseren Interviewpartnern beantworten zu lassen. Allerdings empfiehlt es sich aus unserer Sicht, einfach in einem lockeren Gespräch über die Entscheidungsfindung etc. die nötigen Antworten herauszuarbeiten. Hierdurch gleichen wir Annahme und Realität miteinander ab. Eventuell erkennen wir auch, dass unsere bisherigen Annahmen nicht zutreffend waren und können unsere Buyer Persona entsprechend anpassen.

Gesprächspartner

Wie bei einer klassischen Marktforschungsumfrage, ist es natürlich notwendig eine gewisse Anzahl an Interviews zu führen, um daraus etwas ableiten zu können. Um die zehn bis fünfzehn Interviews sollten es schon sein. Wenn sich die Möglichkeit bietet, sollte man zudem nicht zur Entscheider, sondern auch einige Entscheidungsvorbereiter interviewen, da diese die komplette Customer Journey meist besser im Blick haben und uns Hinweise auf die Informationsbeschaffung und -auswertung geben können.

Vielleicht haben Sie ja auch noch die Nummer des ein oder anderen Ansprechpartners von Unternehmen, die nicht Ihre Kunden geworden sind? Auch hier können Sie durch ein Gespräch wichtige Einblicke gewinnen und Rückschlüsse für sich ziehen.

Weitere Datenquellen

Neben Interviews kann man natürlich auch andere Quellen nutzen, um ein ganzheitliches Bild zu erzeugen. Dies können Bewertungsportale, Blog-Kommentare, Analysen der eigenen Social-Media-Aktivitäten, Zugriffe auf Downloads, Keyword- und Trend-Recherchen oder vieles mehr sein.

Auswertung der gewonnenen Daten

Bei den Einblicken die wir gewinnen, geht es uns darum Verhaltensmuster, Einstellungen und Meinungen zu identifizieren. Wir wollen ableiten, was unseren Wunschkunden wo und wann umtreibt. Mit diesen Insights können wir dann die richtigen Maßnahmen erstellen, um den Informationsbedarf unserer Kunden zu decken, sei es mit Hilfe von Landingpages, Blogbeiträgen, Case Studies, Demo-Versionen oder oder oder.

Auf statistische Auswertungsverfahren, wie zum Beispiel die Hauptkomponentenanalyse, wollen wir an dieser Stelle aber nicht weiter eingehen. Hilfreich kann aber auch schon das Clustern der verschiedenen Insights in einer Tabelle sein.

Wie viele Buyer Persona benötige ich?

Hierzu gibt es keine pauschal gültige Antwort. Und das ist auch gut so! Schließlich sind wir ja genauso individuell wie unsere Wunschkunden, oder? Es kommt also darauf an, ob wir verschiedene Muster aus unseren Interviews und den Persönlichkeitsmerkmalen ableiten können oder nicht. Wenn sich alles weitestgehend deckt, benötigt man nur eine Persona. Bei zu großen Abweichungen ist es unter Umständen zielführender mehrere Persona zu entwickeln. Diese können hierbei auch marktsegment- und länderübergreifend sein, denn schließlich sind die Einstellungen, Meinungen und Verhaltensmuster entscheidend und nicht Sprache, Wohnort der sonst etwas.

Ein durchaus interessanter Aspekt der sich ergeben kann, ist es, auch über negative Buyer Persona nachzudenken. Dies kann helfen, den eigenen Fokus zu halten. Ob Sie sich diese auch an die Wand hängen oder nur im Hinterkopf behalten, bleibt natürlich Ihnen überlassen.

Kritische Betrachtung des Buyer Persona Konzept und Fazit

Wenn es darum geht potenziellen Kunden Informationen und Hilfestellungen zu bieten, die sie weiterbringen, ist das Buyer Persona Konzept ein gutes Mittel. Die intensive Auseinandersetzung mit den Überlegungen zu unseren Wunschkunden und die Überprüfung anhand von Interviews bringen viele Erkenntnisse: ist unser Marktverständnis richtig? Schaffen wir es die relevanten Informationen bereit zu stellen? Haben wir in der Vergangenheit vielleicht immer die falsche Personengruppe angesprochen?

Konsequent umgesetzt kehrt man sich vom Ich-Denken ab und stellt nicht das eigene Unternehmen, sondern den Kunden und seine Bedürfnisse in den Mittelpunkt. Wichtig ist aber, dass es eine rein subjektive Betrachtung bleibt, wenn man lediglich Buyer Persona Profile erstellt ohne Insights zu gewinnen. Manch einer wird die Interviews auch vor die Ableitung der Personas stellen wollen. Dies ist natürlich ebenso möglich und sollte so durchgeführt werden, wie es am besten zu einem selbst und dem eigenen Unternehmen passt.

Das Buyer Persona Konzept ist aus unserer Sicht also nicht das Ende einer Zielgruppenanalyse, sondern eine Zoomfunktion, um den Mitgliedern Ihrer Zielgruppe eine Gestalt zu geben.

Christian
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Kommentare

27.04.2017 | André Wehr

Ein wirklich sehr gelungener Artikel mit einer umfassenden Betrachtung der Thematik rund um die Buyer Personas. Gut finde ich daran, dass Sie sich auch kritisch damit auseinandergesetzt haben.
Das einzige, was ich mir darüber hinausgehend gewünscht hätte, ist ein kleiner Einblick aus Ihren Projekten, wo Sie mit den Personas arbeiten. Etwas wie „aus der Praxis für die Praxis“.

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